Die andere Eva Zu den neuen Bildern von Elvira Bach, November 2001
Als man Elvira Bach vor 20 Jahren auf der Kasseler "Documenta 7" den "Jungen Wilden" zuschlug, konnte man nicht wissen, dass sie den Mut und die Kraft aufbringen würde, sich und der Heftigkeit ebenso wie der Sanftheit treu zu bleiben über die Jahre. Vieles hat sich geändert seither in der Kunstszene und im echten Leben, nicht aber Elviras Motiv: Das Ewig-Weibliche - im Mittelpunkt auch ihrer jüngsten Ausstellung: Gemalte Verwandlungs- und Rollenspiele, Lebens- und Liebesspiele, farbspritzende Rituale der Freiheit und sichtlich sorglose Verletzungen enger moralischer Regeln.
Neue Bilder - das sind bei Elvira Bach auch immer die alten. Sie erinnert mit ihrer aktuellen Malerei einfach an die uralte Menschheits-Wahrheit: Die Frau war und ist das Gegebene; der Mann nur das Gewordene, sie ist die Ursache, er die Wirkung. Daher malt sie einfach meist nur Frauen und meint doch die ganze Welt, doch in ihrem ganz persönlichen Bild der Frau steckt immer noch etwas anderes, Widerständiges:
Thema: "Die andere Eva" - Das ist Lilith, die dämonische, ungezähmte, die gern mit dem Feuer, mit der Schlange spielt: Die Schlange, natürlich eine phallische Anspielung, windet sich und wendet sich, umkurvt die Schenkel, umkreist die ganze Gestalt der nackten, waffenlosen Frau, ja, die Schlange rankt sich wie die Bohnensprosse aus dem Märchen bis weit in den Himmel hinauf, um Sonne und Mond zu begrüßen. Und die Frau und die Schlange können - wie in dieser "Donna Mobile", nur einer von mittlerweile sieben überlebensgroßen Frauenstandbildern zu einer Einheit von Größe und Verletzlichkeit, Entschlossenheit und Erotik zusammenwachsen. Elvira gehört zu jener Generation von Frauen, die mit geholfen haben, das sich unser Frauenbild gründlich geändert hat und noch weiter wandelt. Mit Frauen ist zunehmend zu rechnen, nicht nur als Schmuck der Männerwelt sondern als autonomen Wesen, die der Welt ihren Stempel aufdrücken. Und dies so selbstverständlich, dass es programmatischer Frauen-Power gar nicht mehr bedarf.
Statt dessen ironisch das Thema: "Flower-Power": Die Frau als Freundin der Blumen. Exotische Blüten säumen ihren Weg: Hibiskus und Calla, Efeu und Eukalyptus. Und was ist besser als die guten alten Sonnenblumen? Natürlich die Sonne selbst, also her damit. Sie rollt - schön stilisiert, zackig strahlend wie aus einem barocken Emblematiker-Vorlagenbuch - quer über den Himmel, und über den Bauch, dass sich alles dreht. Der alte van Gogh dreht sich im Grabe rum, wir bleiben mit beiden Beinen auf der Erde, freuen uns unseres Lebens, sehen wir die Radieschen doch noch von oben wachsen.
À propos: Obst & Gemüse: Nicht nur junges für den voyeuristischen männlichen Gourmet-Gaumen, nein heftiges, deftiges: Scharf wie Radieschen, erdverbunden wie Kartoffeln, spitz wie Spargel. Das ist aphrodisiakische Malerei, nicht ungefährlich: Der Artist muss sich vorsehen vor seiner mit Erdäpfeln jonglierenden Schwester: Sie ist mutig und zu allem entschlossen: Schlangenbändigerin ebenso wie Spargelstecherin. Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt. Und zum Dessert natürlich: Erdbeeren, auch ziemlich irdisch. Und vor allem: Rot, aber nicht nur außen, wie die Radieschen sondern durch und durch lasterhaft-rot, flammend, blutend, überquellend. Zum darin Baden, im Erdbeerbad, zum darauf Sitzen, auf dem Erdbeerberg. Der Erdbeermund kann lächeln, bleibt aber meist ernst auf Elviras Bildern, will nicht gefallen, ist sich selbst genug. Er kann das Küchenmesser halten, der Erdbeermund gehört zwar zu den Waffen der Frau, wie Ohrgehänge und Stilettos. Aber Vorsicht, der Kochlöffel wird nie aus der Hand gelegt.
Thema: Glaube-Liebe-Hoffnung: - Kreuz, Herz und Anker begleiten Elvira nun schon eine Weile, durch Träume und Küche, Kinderzimmer und Kunstsalon. Als philosophische Embleme und als Modeschmuck, als Symbole und Talmi-Souvenirs, als Erinnerungen und Warnungen. Wer nicht glaubt, ist leer, wer nicht liebt, bleibt allein, wer nicht mehr hofft, ist am Ende. Und doch sind Glaube-Liebe-Hoffnung trügerisch wie Weiberherzen, auf Sand gebaut wie die Weserburg. Elvira Bach will keine gemalten guten Ratschläge für ein richtiges Leben im Falschen geben. Sicherlich, ihre Bilder sind bunt und einfältig, aber beileibe keine einfach ablesbaren Gebrauchsanweisungen oder Kochrezepte; Elvira sendet Zeichen, sie reagiert immer wieder neu auf Veränderungen in ihrer, in unserer Umgebung: Ihre Bilder sind im Laufe der letzten zwanzig Jahre immer weicher, ruhiger geworden, dabei aber durchaus nicht braver, vielleicht einverständiger, selbstverständlicher, bei aller immer noch heftigen Mal-Gebärde, die sie pflegt.
Thema: Farbenpracht: - Zum Schluss sei's noch einmal gesagt: Elvira Bachs Farben sind einfach hinreißend, aufregend, sie lassen niemanden kalt. Sie glühen noch immer, nicht verblasst durch Enttäuschungen, kaum gedämpft durch gewachsene Erfahrung, Elviras Farben sind einfach heiterer, sanfter, samtener geworden. Das Drama des Daseins, das Aufbegehren der Liebe gegen die Gedankenlosigkeit, des Lebendigen gegen Zerstörung und Tod, das sich schon immer durch ihre Bilder zog, hat sich vertieft, dadurch sind die Oberflächen gleichsam tiefer geworden. Die Weiber-Mythen springen nicht mehr so schrill und grell ins Auge wie einst, aus programmatischen Frauen-Bildern sind schlichte Menschen-Bilder geworden. Vielleicht so wie bei Else Lasker-Schüler; diese große einsame, erotische, ins Exil getriebene Expressionistin, hat je länger je lieber in die Stille hinein gedichtet:
Es treiben mich brennende Lebensgewalten,
Gefühle, die ich nicht zügeln kann,
Und Gedanken, die sich zur Form gestalten,
Fallen mich wie Wölfe.
Ich irre durch duftende Sonnentage...
Und die Nacht erschüttert von meinem Schrei,
Meine Lust stöhnt wie eine Marterklage
Und reißt mich von ihrer Fessel frei,
Und schwebt auf zitternden, schimmernden Schwingen
Dem sonn'gen Tal in den jungen Schoß,
Und läßt sich von jedem Mai'nhauch bezwingen
Und gibt der Natur sich willenlos.
Rainer B. Schossig